Der Workshop versucht, Zusammenhänge zwischen
Ausnahmezustand, Krieg und der Veränderung des
Innen/Außen-Verhältnisses in kapitalistischen
Gesellschaften zu analysieren. Die Diskussion hat einen
dreifachen Hintergrund:
1. In dem Buch "Empire" versuchen Antonio
Negri und Michael Hardt marxistische, poststrukturalistische
und feministische Debatten zu der Frage, was ist Kapitalismus,
zu verbinden. Ihre These lautet: seit 1989 leben wir
in einem imperialen kapitalistischen Innenraum, der
kein Außen mehr kennt. Dieser Raum ist von mehreren
Tendenzen geprägt: von einem Übergang der
Disziplin zur Kontrolle, von einer zunehmenden reellen
Subsumtion der Gesellschaften unter das Kapital, von
der Immaterialisierung der Arbeit, von einer Internationalisierung
hegemonialer Politik durch die G-8-Staaten, transnationale
Konzerne und Organisationen wie WTO, IWF oder Weltbank.
Was heißt das? Stimmt das? Kann man dieses Szenario
derart räumlich und zeitlich universalisieren?
Und außerdem: was ist von der These zu halten,
dass eine neue politische Bewegung - heterogen, internationalistisch,
militant, queer und selbstorganisiert - den Raum des
Empire betreten und sich in Chiapas, Seattle oder Genua
habe blicken lassen?
2. Nach 9/11 hat sich das Kriegs-Kontroll-Regime der
hegemonialen Staaten dynamisch modernisiert und eine
ganz allmählich zunehmende Ununterscheidbarkeit
zwischen Polizeiregime/ Kriegsregime, legaler Ordnung/
Ausnahmezustand, Territorialisierung/ Deterritorialisierung
von Staatlichkeit generiert. Welche Logik hat der so
genannte Anti-Terror-Krieg? Sind die neuen Kontrollpolitiken
rassistisch überdeterminiert? Was sind Ex-Territorien?
Was heisst Präventivkrieg? Wer baut Stand-by-Truppen
auf?
3. Wie wurde Urbanismus und 'öffentlicher Raum'
in der aktivistischen Kunstszene seit den 1960ern diskutiert?
Wie tauchen ästhetische Praktiken in städtischen
Räumen auf? Welche Bedeutungen schaffen sie an
der Nahtstelle zwischen Befriedung und kurzen Momenten
der Aneignung?
Ein Überschneidungspunkt dieser unterschiedlichen
Debatten liegt in der Frage, wie ein kapitalisierter
biopolitischer Raum permanent dadurch heterogenisiert
wird, dass die Schwelle zwischen innen und außen
neu gezogen wird. Ausgehend davon, dass moderne Vergesellschaftung
sich nicht als homogener Prozess durch Zeiten und Räume
hindurch konstituiert, sondern immer wieder über
Brüche und Widersprüche, stellen sich neue
Fragen an die Fragilität des uns täglich umgebenden
Balanceaktes der Macht, die hegemonialen Bedingungen
aufrechtzuerhalten.
freitag 21-03
[12.00] katja diefenbach
Einführung: Die Engel des Empire. Der Idealismus
der Multitude und warum Biomacht und reelle Subsumtion
der Gesellschaften unter das Kapital nicht das gleiche
sind.
[12.30] boris buden
Zum Phänomen der transgressiven Gewalt.
Transgressive Gewalt als Hebamme des Ausnahmezustandes.
Die Emanzipation auf dem Weg von der Autorität
des kämpfenden Volkes (Fanon) zum ewigen Kreislauf
des Tabubruchs (Bhabha).
[13.30] sabine horlitz & kim foerster(anarchitektur)
US Naval Base Guantanamo Bay. Neue Raumlogiken und
parallele Rechtssysteme. Guantanamo ist das Paradigma
eines exterritorialen Gebietes. Ein gepachteter US-Marinestützpunkt
auf kubanischem Staatsgebiet, von Kuba rückwirkend
als illegal erklärt, doch von den USA weiterhin
kontrolliert. Ein Ort also, an dem Recht ungeklärt
bleibt, aber von der US-Regierung immer wieder neu ausgelegt
wird. Im "war on terrorism" ermöglicht
Guantanamo, den rechtlichen Status der dort Gefangenen
als "unlawful enemy combatants" willkürlich
zu bestimmen. Die vermeintlich rechtsfreie Militärbasis
wird von den Vereinigten Staaten als Testgebiet für
den Aufbau eines parallelen Rechtssystems auch im eigenen
Land genutzt, für eine Neudefinition des Verhältnisses
von Recht und Raum nicht nur auf nationaler Ebene.
[15.30] mabouna II merlin moise
Notre image de l'Allemagne
Kamerun: Unser Blick auf Deutschland
Vortrag in französisch mit Übersetzung
[16.30] ivana momcilovic
Farewell to political parties. Euro-Camp and Universal
Embassy-Project.
Vortrag in Englisch.
[17.30] teodora tabacki
Why would one want to be (called) a 'singularity',
or: La dialectique peut-elle casser les briques?
Singularität, das Politische und die globalisierungskritische
Bewegung. Vortrag in Englisch
hito steyerl Moderation
samstag, 22-03
[12.00] sabeth buchmann & andre rottmann
Einführung: das unendlich Kleine. Diskurse
über Kunst im öffentlichen Raum
[12.30] helmut draxler
Widersprüche im Subjekt. Zur Genealogie anti-idealistischer
Praxis. Als Kritik an den Konzepten der Multitude
und der radikalen Immanenz diskutiert der Beitrag politische
und ästhetische Aspekte der Widersprüche im
Subjekt, die sich aus Privilegien, Ambivalenz und Involviertheit
hinsichtlich multipler Herrschaftsverhältnisse
ergeben. Anstatt diese Widersprüche euphorisch
auf eine Entfaltung "spontaner Kräfte"
hin zu überschreiten, wird es darum gehen, ihre
innere Dialektik zu beachten, um daraus Ansatzpunkte
anti-idealistischer Praktiken zu gewinnen.
[13.30] marc siegel & daniel hendrickson
Living in a Marvelous World, oder: Die Lokalität
der Sexualität.
[14.30] caroline ehmke
Der Krieg gegen den Terror und der Niedergang des
Politischen. Eine Analyse des Anti-Terror-Krieges
und seiner Rhetorik. These: Das Politische entspricht
mehr und mehr der schmittianischen Logik, dass souverän
sei, wer über den Ausnahmezustand entscheide, und
dass sich das Politische in der Unterscheidung von Freund
und Feind artikuliere.
[16.30] klaus viehmann
Innen und Außen als Frage von Wandstärke
und Kaliber: Guerilla und Stadt. Vor dem Erfahrungshintergrund
der uruguayanischen MLN/Tupamaros sollen die konkreten
- politisch-militärischen - Probleme einer Stadtguerilla
umrissen und ihre Erfahrungen in Hinsicht auf aktuelle
politische Strategien bewertet werden.
[17.30] sophia schmitz
Zu Integrations- und Innovationsmodellen zeitgenössischer
Architektur am Beispiel Rem Koolhaas. Gab es je
den "öffentlichen Raum", oder ist der
Raum, der als solcher bezeichnet wird, seit jeher Teil
der bürgerlichen Gesellschaftskonstruktion und
erfährt dieser Begriff durch die Re-Definition
von Urbanität nach 1989 nur eine weitere Verschiebung?
hito steyerl Moderation
sonntag, 23-03
[18.00-22.00] raum 205
Videos zu Biopolitik und Ausnahmezustand
mit Arbeiten von Samir, Deepa Dhanraj, Daney/Guattari/Lazzarato/Melitopulos
(Canal dechaine).
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