Kontext
Die Wiener Konferenz
Public Art Policies ist die erste in einer Reihe von
diskursiven Veranstaltungen, die im Lauf des Jahres
2004 im Rahmen von republicart in Wien, Linz, Ljubljana,
London, Lüneburg und Riga stattfinden werden. Public
Art Policies soll gemeinsam mit einer zweiten Konferenz
in Ljubljana die kulturpolitischen Aspekte des Gesamtprojekts
thematisieren. Beide Konferenzen erörtern einerseits
die jeweilige gesellschaftliche Funktion der Institutionen
des Kunstfelds, andererseits die Beziehung zu den unterschiedlichen
Finanzierungsstrukturen. Die unterschiedliche Fokussierung
der beiden Veranstaltungen wird vor allem in den unterschiedlichen
geopolitischer Situationen liegen: Während die Wiener
Konferenz die sich verschärfende Lage der staatlich
subventionierten Institutionen der zeitgenössischen
Kunst in Mittel- und Nordeuropa reflektieren soll, wird
in Ljubljana vor allem das sehr verschiedene institutionelle
Gefüge des Kunstfelds in Süd- und Osteuropa beleuchtet.
Inhalt
"Das
letzte Wort der Macht lautet, dass der Widerstand primär
ist." (Gilles Deleuze)
Wohl kaum ein Satz
trifft die Ununterscheidbarkeit, das Ineinanderverwobensein
von Macht und Widerstand im postmodernen Setting besser
als die hintergründige Formulierung von Gilles Deleuze.
Wohl kaum ein Satz beschreibt jedoch auch besser die
widersprüchliche Lage, die Chance und die Falle, in
der sich progressive Kunstinstitutionen im zunehmend
sich transformierenden europäischen Wohlfahrtsstaat
befinden: Widerstand, Kritik, sind zwar primär, das
letzte Wort hat jedoch die Macht.
Einerseits illustriert der Satz
von Deleuze und die damit verbundenen Theoreme bei Foucault
die Funktionen der Institutionen des Kunstfelds bei
der Befriedung, Vereinnahmung und Instrumentalisierung
von politischen Praxen, Themen und Phänomenen. Wie das
Empire sich bei Hardt/Negri von der produktiven Kraft
der Multitude nährt, scheint die Kunstinstitution als
ausgelagerte Organisationsform des Staatsapparates
abhängig zu sein von immer neuen Portionen kritischer
Kunst, die sowohl die mediierende Institution wie auch
den Apparat am Leben erhält.
Andererseits scheint den Kunstinstitutionen
selbst im neoliberalen Verwandlungsprozess des Wohlfahrtsstaats
in ein Partikel eines sich globalisierenden Netzwerks
aus transnationalen Konzernen, suprastaatlichen Institutionen
und mächtigen Nationalstaaten zunehmend der Boden entzogen
zu werden, sich mit kritischen, antistaatlichen Phänomenen
auseinandersetzen zu können: Die Finanzierungsengpässe
der Kunstinstitutionen gehen einher mit einer zunehmend
direkteren Einflussnahme der finanzierenden Institutionen
auf die Programme.
In dieser doppelten Zwickmühle
geht es also einerseits um die Diskussion um den Status
Quo dessen, was als primäre Selbstdefinition des Zeitgenössischen
in der Kunst gesehen wird: Kritik, Widerstand gegen
das Bestehende, minoritäre Anliegen. Andererseits geht
es um das pure Überleben der progressiven Kunstinstitutionen
in einem Feld, das mehr und mehr von konservativen Kulturkolossen
und neoliberal geprägten Spektakel-Kulturbetrieben beherrscht
wird.
Ziele
Die Konferenz soll
nicht das Pathos der subversiven Rolle der KunstproduzentInnen
gegenüber Staat und Institutionen wiederholen, sondern
vielmehr die Strategien der AkteurInnen in
den Kunstinstitutionen selbst erörtern, sich aus der
Umklammerung durch den Staatsapparat wenigstens temporär
zu emanzipieren. Hier geht es um Selbstkritik ebenso
wie um prekäre Versuche des Ausbruchs aus der oben beschriebenen
Logik und um Utopien: Was sind die Antworten der sich
progressiv verstehenden Kunstinstitution gegenüber
der Hypostasierung des Publikumbegriffs, der politischen Forderung nach immer neuen "new audiences", gegenüber
einer populistisch geprägten Tendenz zur Simplifizierung,
gegenüber der Rückbesinnung auf die auch spektakelmäßig
verwertbare Aura der Alten Meister? Wie könnte die Funktion
der Kunstinstitution als Medium zwischen Staatsapparat
und Produktion emanzipatorisch gelesen/gewendet werden?
Andererseits soll
die Rolle des geldgebenden Gegenübers, also der Kulturverwaltung
und Kulturpolitik ein weiteres Mal analysiert werden
mit dem dezidierten Fokus, kulturpolitische Programme
im Feld der zeitgenössischen Kunst zu analysieren.
Gibt es überhaupt kulturpolitische Programme, die in
der oben beschriebenen Ausgangsposition ein emanzipatorisches
Setting fördern? Wenn ja, welche und sind diese verallgemeinerbar?
Wenn nein, wie wäre eine brauchbare Beziehung von Kulturpolitik
und Kunstinstitutionen jenseits von Programmen vorstellbar?
Quer zu den beiden
Hauptsträngen der Konferenz soll wie im gesamten Projekt
republicart auch der jeweilige Begriff von Öffentlichkeit(en)
reflektiert werden, vor allem die Frage, wie weit Kunstinstitutionen
eine Rolle bei der Herstellung von Öffentlichkeit(en)
spielen und wie weit kulturpolitische Programme solche
Strategien forcieren können.
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